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Die Linke rüstet sich nach ihrem Parteitag in Augsburg für das Wahljahr 2024. Das Kapitel um die Abspaltung des Wagenknecht-Lagers wurde für beendet erklärt, die Linke will jetzt "Vertrauen zurückgewinnen", mit ihrem Europawahlprogramm ihr Profil als soziale Gerechtigkeits- und Friedenspartei schärfen. Die Parteilosen Carola Rackete und Gerhard Trabert, die ins Spitzenteam für die Europawahl gewählt wurden, sollen Stimmen aus den sozialen Bewegungen bringen.
Rackete und Trabert belegen Platz zwei beziehungsweise vier der Liste der Partei für die Europawahl am 9. Juni. Auf Platz eins wurde am Samstagabend Parteichef Martin Schirdewan gewählt, Platz drei nimmt Özlem Demirel ein; beide sind bereits Europaparlamentarier.
"Ich kandidiere für die Linke, weil sie die soziale Frage nicht gegen die ökologische ausspielt", sagte Rackete. Sie wurde 2019 als Kapitänin des Seenotrettungsschiffs "Sea-Watch" international bekannt. Ihren Schwerpunkt sieht die 35-Jährige im Europaparlament nun aber in der Klimapolitik.
Mit 96,8 Prozent erhielt Trabert das beste Ergebnis des vierköpfigen Spitzenteams. Der Mainzer Arzt hat sich dem Kampf gegen die Armut verschrieben. Der 67-Jährige kritisierte unter Verweis auf Äußerungen etwa von CDU-Chef Friedrich Merz: "Die Stigmatisierung von Menschen am Rande unserer Gesellschaft nimmt immer mehr zu." Trabert erlangte größere Bekanntheit durch seine Kandidatur bei der Bundespräsidentenwahl im Februar 2022, bei der er einen Achtungserfolg erzielte.
Auf Platz fünf wurde Ines Schwerdtner aus Sachsen-Anhalt gewählt, gefolgt von Martin Günther aus Brandenburg. Am Sonntag setzte der Parteitag die Aufstellung der Europaliste fort. Bei der Wahl 2019 hatte die Linke 5,5 Prozent erzielt, sie stellt seitdem fünf Europaparlamentarier.
Vor der Kandidatenaufstellung hatte der Parteitag das Europawahlprogramm verabschiedet. "Wir greifen die Wut vieler Menschen auf und machen Druck für grundsätzliche Veränderung", heißt es darin. Reiche und Konzerne will die Linke "zur Kasse bitten".
So fordert die Partei, hohe Vermögen und Konzerngewinne stärker zur Finanzierung des Gemeinwesens in der EU heranzuziehen. Der gesetzliche Mindestlohn müsse in Deutschland "auf mindestens 15 Euro steigen und jährlich automatisch in Höhe der Inflationsrate erhöht werden". Angesichts der Klimakrise soll die Industrie in Europa nachhaltig umgebaut werden. Dazu beitragen soll eine EU-weite Mindestbesteuerung von 25 Prozent für Unternehmensgewinne.
Die Partei wendet sich gegen die Lieferung von Waffen und Rüstungsgütern und fordert ein gesetzliches Exportverbot. Sie sieht sich an der Seite der Friedensbewegung und will diese stärken. Die Migrations- und Asylpolitik müsse "solidarisch und human" sein und keine "europäische Abschottungspolitik".
Parteichefin Janine Wissler sagte vor den rund 440 Delegierten, die Linke kämpfe dafür, Eigentumsverhältnisse grundlegend zu verändern. Die Partei müsse "denen eine Stimme geben, die viel zu wenig gehört werden". Dazu müsse sie sich erneuern und öffnen. "Es geht darum, Vertrauen zurückzugewinnen."
Bundestagsfraktionschef Dietmar Bartsch sagte mt Blick auf die drei Landtagswahlen im September 2024 in Sachsen, Thüringen und Brandenburg: "Der Osten ist die Herzkammer der Linken." Die Partei werde Anwalt der Ostdeutschen beim Thema Lohnangleichung und in anderen Fragen sein.
Die zum 6. Dezember beschlossene Auflösung der Bundestagsfraktion nannte Bartsch "dramatisch". Die Verantwortung trügen "die neun Abgeordneten, die in der zehnten eine politische Heilsbringerin sehen", fügte er mit Blick auf Sahra Wagenknecht und deren Gefolgsleute hinzu, die im Oktober aus der Partei ausgetreten waren.
Wagenknecht will Anfang 2024 mit einer neuen Partei an den Start gehen. Kurz vor dem Parteitag hatte die Linken-Bundestagsfraktion als Konsequenz daraus ihre Selbstauflösung zum 6. Dezember beschlossen; im Bundestag wird sie künftig voraussichtlich nur noch als Gruppe vertreten sein.
(F.Schuster--BBZ)