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Als Konsequenz aus dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts will die Ampel-Koalition dieses Jahr erneut die Schuldenbremse aussetzen. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) kündigte dazu am Donnerstag einen Nachtragshaushalt an. Einer Sprecherin zufolge wird darin die erneute "Feststellung einer außergewöhnlichen Notlage für das Jahr 2023 vorschlagen", was Voraussetzung für die Aussetzung der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse ist.
Lindner hatte als Konsequenz des Karlsruher Haushaltsurteils vor Journalisten am Nachmittag zunächst nur angekündigt, in der kommenden Woche einen Nachtragshaushalt für 2023 vorzulegen. Das Verfassungsgericht habe klargestellt, wie mit Sondervermögen und mit Notlagenkrediten umzugehen sei, sagte er in Berlin. In Absprache mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Vize-Kanzler Robert Habeck (Grüne) ziehe er nun Konsequenzen aus den Vorgaben aus Karlsruhe.
Vor weiteren Beratungen über den Haushalt 2024 wolle er "reinen Tisch" machen und insbesondere die Strom- und Gaspreisbremsen absichern, sagte der FDP-Chef. Eine erneute Aussetzung der Schuldenbremse erwähnte er dabei zunächst nicht.
Erst im Nachgang verbreitete sein Ministerium eine Erklärung dazu. Darin betont eine Sprecherin, es würden "keine neue Schulden aufgenommen, sondern lediglich die bereits abgeflossenen Mittel zur Krisenbewältigung auf eine sichere Rechtsgrundlage gestellt".
Das Bundesverfassungsgericht hatte vergangene Woche die massive Aufstockung des Klima- und Transformationsfonds (KTF) mit nicht genutzten Krediten aus der Corona-Pandemie für unzulässig erklärt. Dadurch fehlen der Ampel-Koalition in den kommenden Jahren nun 60 Milliarden Euro für Vorhaben der Energiewende.
Lindner verhängte danach eine Ausgabensperre über weite Teile des Haushalts 2023 und auch für den ähnlich wie der KTF konstruierten Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF). Über den bis zu 200 Milliarden Euro schweren Krisenfonds werden insbesondere die Energiepreisbremsen finanziert. Zudem verschob die Ampel-Koalition am Mittwoch die für kommende Woche geplante Verabschiedung des Haushalts 2024.
SPD-Chef Lars Klingbeil forderte, nun auch für 2024 die Schuldenbremse auszusetzen. "Ich finde es politisch richtig, die Notlage für 2023 zu erklären", sagte er dem "Handelsblatt". "Und ich finde, es gibt viele politische Gründe, sie auch für 2024 zu erklären." Als Begründung nannte Klingbeil die "Nachwehen der Pandemie", die Energiekrise, die Inflation sowie den Krieg in der Ukraine und die Situation in Nahost.
Zur Aussetzung der Schuldengrenze ist ein Beschluss der Mehrheit der Mitglieder des Bundestag nötig. Sie war in den Jahren von 2020 bis 2022 ausgesetzt. Grund war die Corona-Pandemie und der Ukraine-Krieg.
Bei Lindner und der FDP dürfte eine erneute Aussetzung der Schuldenbremse auch 2024 auf Widerstand stoßen. Es werde noch geprüft, welche Änderungen am Haushalt 2024 "im Einzelnen notwendig sind", sagte der Haushaltsexperte der FDP-Bundestagsfraktion, Christoph Meyer, der Nachrichtenagentur AFP. "Für die weitere Beratung des Haushalts 2024 gilt, dass die Herstellung der Rechtssicherheit wichtiger ist als eine schnelle Verabschiedung."
AfD-Chef Tino Chrupalla warf Lindner vor, die erneute Aussetzung der Schuldenbremse sei ein "finaler Kniefall vor der grünen Transformationsagenda und Abschied von freiheitlichen Interessen". Steuergeld dürfe nicht mehr "für fremde Kriege und grüne Lobby verschwendet werden", schrieb er im Online-Dienst X (vormals Twitter).
(L.Kaufmann--BBZ)